Der Winter auf Kitar hatte die Bewohner der sonst so sonnigen Insel überrascht. Statt gelegentlicher Schneeflocken, wie in früheren Jahren, hatte sich die Insel in den letzten zwei Monaten in ein wahres Winterparadies verwandelt. Wo einst grüne Wiesen und üppige Vegetation das Bild prägten, herrschte nun eine weiße Schneedecke. Selbst die Pflasterstraßen waren spiegelglatt und mussten regelmäßig mit Salz und Sand gestreut werden, um ein Ausrutschen von Passanten und Fuhrwerken zu verhindern.
Der heutige Nachmittag brachte die ersten Anzeichen eines Wetterumschwungs: Die Sonnenstrahlen fühlten sich deutlich wärmer an, die Brise vom Meer erinnerte kaum noch an die eisige Kälte der Vortage. Tatsächlich hatte sich das Wetter innerhalb weniger Stunden drastisch verändert. Eine intensive Warmadvektion hatte warme Luftmassen über Kitar strömen lassen und die kalte Luft verdrängt.
Allerdings bedeutet die wärmere Luft nicht, dass Schnee und Eis sofort verschwinden. Es wird noch einige Zeit dauern, bis alles geschmolzen ist, ganz wie es im Frühling üblich ist. In den kommenden Tagen und Wochen werden die Flüsse und Kanäle in der Stadt voraussichtlich einen höheren Wasserstand als gewöhnlich aufweisen, und das Wasser selbst wird durch das Schmelzwasser trüber werden. Auch das Meer wird einige Zeit brauchen, um wieder die für die Jahreszeit gewohnte Temperatur zu erreichen.
Zudem machen Gerüchte die Runde, dass das ungewöhnliche Winterwetter mit einem Machtkampf zusammenhängen könnte, der von Donneraan auf dem Thron der vier Winde ausging. Dieser hatte erst kürzlich seine Herrschaft angetreten, und so schienen gewisse Unregelmäßigkeiten nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Schamanen auf Kitar wagten jedoch keine konkreten Vorhersagen darüber, ob das wärmere Wetter anhalten oder ob die Kälte zurückkehren würde.
Ein lauter Knall nach einem Rutschgeräusch und ein Matschberg landet auf dem Gehweg vor dem Handelskontor Goldregen. Dank des Dachs über dem Essenwagen blieb da alles heil. Mit Schippchen und Besen bewaffnet kümmert man sich um die Behebung.
Sicher wird nun so mancher Matschberg vom Dach seinen Weg in die Kanäle finden, aber wie man damals schon beim großen Sturm gut sah, man half sich Hand in Hand, über Volksgrenzen hinweg.